Die Vorarlberger Nachrichten haben eine Familie im Oberland besucht, um zu sehen, wie sich das theoretische Modell der Kindergrundsicherung in der Praxis bewährt. Ein Vater von 4 Kindern erzählt.
©VN, MICHAEL PROCK
„Du möchtest auf den nächsten Schulausflug? Da müssen wir Oma fragen.“ „Ein Eis geht sich leider nicht aus.“ „Sorry Schatz, ein Geburtstagsgeschenk für deinen Schulfreund ist nicht drin.“ Zum nächsten Geburtstagsfest wird das Kind gar nicht mehr
eingeladen. Begebenheiten wie diese sind in vielen Vorarlberger Familien Realität. Laut den Familiendaten des Österreichischen Instituts für Familienforschung galten im Jahr 2017 14 Prozent der Vorarlberger als armutsgefährdet. 2870 Kinder zwischen null und 14 Jahren erhielten 2017 Mindestsicherung. Soziale Ausgrenzung ist die Folge, Sport oder Musikvereine werden unleistbar, die Schulausflüge sind kaum zu stemmen.
Zahlreiche Institutionen, von der Bundesjugendvertretung über die Kinder- und Jugendanwaltschaft bis zur Armutskonferenz fordern deshalb eine Kindergrundsicherung. Die österreichische Volkshilfe hat ein Projekt gestartet, um diese Grundsicherung zu testen. Sie wählte in jedem Bundesland eine Modellfamilie aus, deren Kinder zwei Jahre lang einen fixen Betrag erhalten. Das Projekt wird
wissenschaftlich begleitet. Auch eine Vorarlberger Familie ist dabei.
Die Oberländer Familie hält nichts von klassischen Rollenbildern. Die Mutter geht arbeiten, der Vater bleibt bei den vier Kindern zu Hause. Alles ist gut, man baut ein Haus. Wie so oft, ist es eine Krankheit, die die Mutter zwingt, den Job aufzugeben. „Ein paar Monate später waren wir plötzlich im minus. Und wenn man einmal drin ist, kommt man schwer wieder raus. Es ist extrem, wie schnell man in die Armut rutscht“, erzählt Herr Maier. Am schlimmsten sei der April 2018 gewesen, als alle Rechnungen gekommen sind und das Auto kaputtgegangen ist. „Das war eine Katastrophe!“ Herr Maier erhält Hilfe. „Es war wahnsinnig! Fremde Menschen haben uns zu Weihnachten geholfen. Die Oma der Kinder griff uns bei Schulausflügen unter die Arme.“
Aber am Monatsende blieb ein Minus, und plötzlich stand die Fürsorge vor der Tür. Herr Maier erinnert sich: „Im ersten Moment denkt
man an das Jugendamt wie im Fernsehen. Aber so war es überhaupt nicht.“ Seitdem ist die Familie in Kontakt mit der Caritas und dem ifs. Über das ifs kam die Familie auch auf das Projekt der Volkshilfe. Annegret Senn von der Volkshilfe rechnet vor: „Ein Kind braucht 625 Euro pro Monat. Da ist ein Anteil der Miete und der Verpflegung auch eingerechnet.“ Die Volkshilfe zieht Unterstützungen und Familienbeihilfe ab und zahlt die Differenz. Insgesamt 20 Kinder befinden sich im Projekt, im Durchschnitt erhält jedes 320 Euro.
Herr Maier ist froh: „Unser Sohn kann im Fußballverein mitspielen und hat endlich neue Fußballschuhe bekommen. Man
ist nicht mehr ständig Bittsteller.“ An die Politik hat er einen Wunsch: „Die da oben sollten einmal mitkriegen, was unten bei den Leuten
wirklich los ist.“